Oder: Machen ist krasser als Wollen

Was passiert eigentlich mit den Vorhaben, die wir immer schon mal machen wollten? Mit der Geschäftsidee, die uns über Jahre begleitet, aber nie umgesetzt wird? Sie kennen die Antwort: Wahrscheinlich nichts. Und andere verwirklichen sie einfach. Deshalb plädiere ich aus Überzeugung für „Machen ist krasser als Wollen“.

Doch es müssen nicht immer die großen Schritte sein, die das gesamte Leben umkrempeln. Es genügt schon, die eigene Improvisation zu schulen. Denn die hat mit „Einfach machen“ viel gemeinsam. Beides braucht Wissen, Fertigkeiten, Kompetenzen, Zuversicht und Mut. Je größer unser Werkzeugkoffer, desto leichter kommen wir ins Handeln. Was also sollten wir tun, um immer öfter „einfach zu machen“?

Menschen, die Veränderungen aktiv begegnen, sich mit ihnen auseinandersetzen und das Beste daraus machen, sind diejenigen, die Neues entwickeln. Ich muss hier immer an die noch junge deutsche Vergangenheit denken: den Mauerfall. Eine unglaublich besondere Zeit voller Überraschungen. Das Leben wurde auf den Kopf gestellt, es herrschte Aufbruchsstimmung, zumindest in Berlin war sogar eine Art „Anarchie“ zu beobachten. In dieser Zeit wurde enorme Kreativität freigesetzt. Die Menschen hatten eine nahezu ungebremste Lust auf Neues. Frei nach dem Motto „Einfach machen“ entstanden Projekte, Firmen und Ideen.

 

Improvisation ist das halbe Leben

So gut wir uns auch vorbereiten und Innenschau betreiben, das Leben kommt ja immer irgendwie dazwischen. Dennoch ist es eine Entscheidung, wie man die unterschiedlichen Puzzleteile seines Lebens zusammenfügt und welche Handschrift man dabei entwickelt. Und dabei spielt Improvisation eine große Rolle, eine hohe Kunst, die auf solidem Wissen, auf Kompetenz und Erfahrung aufbaut. Den richtigen Moment zu erwischen, gegebenenfalls zu improvisieren und dem Neuen, Unvorhergesehenen Raum zu geben, hat auch mit Weltvertrauen zu tun – ein Begriff, der in der Existenzanalyse und Logotherapie relevant ist (s. Viktor Frankl, Alfried Längle und Christoph Kolbe).

Ich persönlich verbinde mit Weltvertrauen – oder auch bekannt unter Grundvertrauen – die Fähigkeit des Fließen-Lassens und damit, Zeit und Raum zu geben, um Neues entstehen zu lassen. Für neuen Raum muss ich Altes loslassen können, u.a. vorgefertigte Texte, Ideen und Gedanken. Erst wenn man sich verabschiedet, ist Platz für Neues. Ich nenne es „die Festplatte bereinigen“.

Aus meinen unterschiedlichen Ausbildungen und Ansätzen nehme ich mir das, was ich dafür brauche und „garniere“ es mit Neuem. Vergleichen kann man das vielleicht am ehesten damit, beim Kochen aus bestehenden Rezepten eigene Kreationen zu entwickeln, indem man die Zutaten variiert. Die wichtigsten Gewürze sind für mich Wissensdurst und Neugier, zudem die Bereitschaft, weiter zu lernen. Kurz: eine gewisse grundsätzliche Offenheit all dem gegenüber, was das Leben anbietet. Gepaart mit dem Erkennen des richtigen Moments, wann ich welches Gewürz nutze, oder in meinem Fall, welche Methode ich zu welcher Zeit anwende.

Der Ansatz „Einfach machen“ hat mir sowohl bei der Entwicklung meiner Selbstständigkeit als auch als Führungskraft in multinationalen Unternehmen geholfen. Denn letztlich geht es immer „nur“ darum, Ideen einzubringen und auszuprobieren, Menschen zu überzeugen und in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen. Einfach machen eben!

Brauchen Sie Unterstützung bei der Formulierung Ihrer Visionen oder bei der Schärfung einer Idee? Oder geht es darum, eine Sparringpartnerin bei der Umsetzung zu haben? Schreiben Sie mir gern!

Foto © Pexels-itsmichael

 

Virtuelle Führung in der PraxisVeränderungen und Herausforderungen

Frithjof Bergmann, Urvater der New Work-Bewegung, entwickelte seine Theorie eines neuen Arbeitskonzepts vor über 40 Jahren. Fast 90-jährig landete er dann als Speaker auf Konferenzen und in großen Agenturen. Die Digitalisierung hatte seine Idee der persönlichen Freiheit von Arbeitnehmern wieder aktuell gemacht. Doch dann brachte eine Pandemie die Arbeitswelt dazu, New Work partiell tatsächlich zu praktizieren. Was aber sind die Herausforderungen dabei? Ich habe mit Führungskräften unterschiedlicher Branchen darüber gesprochen.

 

Her mit den Infos!

Eine grundlegende Neuerung ist die Verlagerung nicht nur strategischer, sondern auch operativer Tätigkeiten ins Home-Office. Wurden bisher die Stunden zu Hause hauptsächlich für Tätigkeiten genutzt, die Ruhe und Konzentration erforderten – z.B. die Erstellung von Konzepten –, fand plötzlich alles unfreiwillig in Isolation statt. Wie schafft man da Struktur?

Nahezu überall fanden tägliche virtuelle Meetings unter unterschiedlichsten Namen statt – vom morgendlichen „Daily Meeting“ über das „Daily Stand up“ bis zum „Check-in“: Man* brachte sich per Videokonferenz auf Stand, präsentierte Zwischenergebnisse, klärte schon auch mal Persönliches. Die meisten registrierten eine Erhöhung der Frequenz, aber eine tendenzielle kürzere Dauer bei Meetings.

„Die Frequenz der wöchentlichen Teammeetings per Videochat haben wir erhöht, da es in der aktuellen kritischen Business-Situation wichtig ist, sich sofort auf den neusten Stand zu bringen.“  (VF, HR Managerin in der Luftfahrtindustrie)

Was wegfiel und extrem vermisst wurde, war der schnelle Plausch in der Kaffeeküche. Die Informationen, die auf diesem Weg ganz nebenbei die richtigen Adressaten erreichten, gingen oft einfach unter. Lockere Formate wie das „Virtuelle Café“ oder der „Coffee Chat“ sollten Abhilfe schaffen, auf freiwilliger Basis auch Formate wie das „Virtuelle After-Work“ mit Wein und Bier. Ein wahres Revival erlebte die Chat-Funktion in Groupware, wie z.B. in MS Teams, da sich Fragen darüber schnell und unkompliziert klären ließen.

 

Und wo wird´s privat?

Was vielen Mitarbeiterinnen in der Coronakrise fehlte, war der private Austausch. Einige Führungskräfte sahen das Dilemma und schufen lockere Formate auf freiwilliger Basis. Im „Coffee Chat“ eines Unternehmens der Luftfahrtindustrie stand der Austausch über Persönliches im Vordergrund:

„In unserem Coffee Chat geht es nicht um die Arbeit, sondern wir tauschen uns aus, wie es jedem gerade in der Corona-Situation geht, lachen gemeinsam, geben Tipps zum Kochen für zuhause etc.“ (VF, HR Managerin in der Luftfahrtindustrie)

Nahezu alle interviewten Führungskräfte berichten von einer neuen Ebene des privaten Austauschs. Denn Kinderbetreuung oder die Pflege kranker Familienmitglieder war mit einem Schlag sehr viel komplizierter geworden und erschwerte so die Arbeitsbedingungen. Kurz: Themen die früher bei der Arbeit selten auf den Tisch kamen, fanden Raum – und ein offenes Ohr auf Führungsebene.

„Ich versuche, einen Perspektivwechsel zu machen und mich in meine Mitarbeiter hineinzuversetzen. Die non-verbale Kommunikation fehlt wirklich. Um eine Verbindung herzustellen bzw. zu halten, versuche ich, gemeinsame Themen zu finden, z.B. die Kinderbetreuung.“ (BW, Regionalmanager für ein Consulting Team in der IT-Branche)

Grundsätzlich sahen alle Befragten in der neuen Situation eine veränderte Balance zwischen Präsenz und Sich-Raushalten, Vertrauen und Nachhaken. Mindestens einmal pro Woche ein Telefonat mit jedem Mitarbeiter zu führen, erwies sich als guter Rhythmus, um sie weiterhin persönlich in ihrem Umfeld abzuholen.

„Führung sollte insgesamt weitreichender gesehen werden. Es ist wichtig, auf Balance zu achten zwischen Arbeit und der Familie mit Kindern oder Eltern, die man pflegen muss. Darüber zu sprechen: Wie kann man für sich selbst gut sorgen, gerade in dieser Zeit?“ (AH, Managerin aus der Logistikbranche)

 

Ja, ist denn heute schon „New Work“?

Der ursprüngliche New Work-Gedanke, wie ihn vor 40 Jahren Bergmann sah, ist also durch die Krise näher an uns herangerückt. Die Definition geht weit über den bisher gern gesetzten Fokus auf agiles Arbeiten und Home-Office hinaus und legt ein tieferes Verständnis von Führung zugrunde:

„Ich lege Wert darauf zu vermitteln: Ich nehme wahr, dass mein Gegenüber ein Mensch ist. Ganzheitlich auf die Situation zu gucken und Vertrauen zu haben.“ (JF, Manager eines Import- und Handelsunternehmens)

Letztlich haben alle befragten Führungskräfte die Krise als Chance für eine neue, persönlichere und bewusstere Form von Führung begriffen – trotz der Herausforderungen und Schwierigkeiten, die sie mit sich brachte.

 Im Zuge meiner Tätigkeit als Dozentin an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management habe ich mich intensiv mit virtueller Führung auseinandergesetzt. Als Executive Coach erlebe ich zudem täglich den praktischen Arbeitsalltag von Führungskräften, spreche über Fragestellungen zu Haltung, Kommunikation, Techniken und Abläufen. Corona hat sie alle vor ganz neue Herausforderungen gestellt: Digitales Arbeiten war mit einem Schlag Realität. Ich habe mit einigen von Ihnen zu den aktuellen Herausforderungen gesprochen und die Ergebnisse für diesen Blogtext gebündelt.

 In der nächsten Folge meiner Blogserie zum Thema „Virtuelle Führung“ gebe ich Software-Tipps – alle praxiserprobt von meinen Interviewpartnern.

 

* Liebe Leserinnen und liebe Leser! In meinen Blogtexten benutze ich abwechselnd die weibliche und männliche Form. Ich habe mich dafür entschieden, um den Lesefluss nicht durch *innen oder ähnliche Variationen des Genderns zu stören.