Wie Sie Talent in Ihrem Unternehmen identifizieren und voranbringen
Nahezu jedes Unternehmen kennt mittlerweile das Ringen um talentierte Fachkräfte. Bereits seit geraumer Zeit stehen Firmen vor den Herausforderungen, die demografischer Wandel, globaler Wettbewerb, Strukturwandel sowie Technologieschübe und Digitalisierung mit sich bringen. Auch hier hat Corona wie ein Brennspiegel auf einen bestehenden Missstand gewirkt und führt zu Umsatzeinbußen in vielen Branchen. Wie Unternehmen dem vorbeugen können? Ein vorausschauendes und strategisches Talent Management ist der richtige Ansatz.
Das Einmaleins professioneller Personalentwicklung
Doch Talentförderung und -bindung lassen sich nicht von einem Tag auf den nächsten in eine Unternehmensstruktur implementieren. Schließlich müssen nicht nur Budgets eingeplant werden, sondern auch eine klare Kommunikationsstrategie auf allen Unternehmensebenen. Denn was helfen die besten Maßnahmen, wenn die Mitarbeiter:innen von ihnen nichts wissen? Es geht also um ein fein justiertes Zusammenspiel von Führungskräften, Personalabteilung und potenziellen Talenten.
Doch zunächst gilt es, Potenzialkandidat:innen zu identifizieren, und diese Aufgabe liegt ganz klar im HR und bei den Führungskräften. Vier Kriterien definiert die aktuelle Literatur als zwingend für das Erkennen der Talente von morgen: Potenzial, Leistung, Wille und Befähigung.
Beginnen wir mit den Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter:innen: Neben kognitiven, emotionalen und sozialen Kompetenzen sollte auch die Befähigung zur Personalführung im aktuellen Arbeitskontext erkennbar sein. Damit ausgestattet lässt sich dann die Leistung beobachten, ein Ist-Stand ableiten und über einen längeren Zeitraum beobachten. Auf dieser Basis können Sie das Potenzial in zukünftigen Situationen besser einschätzen und Entwicklungsmöglichkeiten erkennen. Ist dann noch der Wille dazu vorhanden, sich weiterzuentwickeln, haben Sie es mit ziemlicher Sicherheit mit einem High-Potential zu tun.
Viel mehr als ein guter Riecher
Es gibt Zitate, die merkt man sich. Meistens kommen sie aus der Praxis. In diesem konkreten Fall sagte mal ein Vorgesetzter zu mir: „Das Wichtigste beim Talentmanagement ist, die Menschen zu erkennen, sie richtig einzuschätzen und damit aussagefähig zu sein.“ So einfach das klingt, so komplex ist es – wie alles, was mit Menschen zu tun hat. Hat man das geschafft, gilt es schließlich „nur“ noch, diese Mitarbeiter:innen mit den Anforderungen und Bedarfen des Unternehmens geschickt zu verknüpfen. Es kann zu einer der schwierigsten Aufgaben gehören, potentielle Kandidat:innen im Unternehmen gut zu platzieren.
Soweit die Theorie. Wie das in der Praxis aussehen kann, lesen Sie in meinem nächsten Blogbeitrag zum Thema Talentmanagement. Sie können nicht warten? Dann melden Sie sich gern bei mir: mp Executive Coaching & Organisational Development: mail@marion-pohl.com
Foto: ©Frank Petzke -Australien
Frithjof Bergmann, Urvater der New Work-Bewegung, entwickelte seine Theorie eines neuen Arbeitskonzepts vor über 40 Jahren. Fast 90-jährig landete er dann als Speaker auf Konferenzen und in großen Agenturen. Die Digitalisierung hatte seine Idee der persönlichen Freiheit von Arbeitnehmern wieder aktuell gemacht. Doch dann brachte eine Pandemie die Arbeitswelt dazu, New Work partiell tatsächlich zu praktizieren. Was aber sind die Herausforderungen dabei? Ich habe mit Führungskräften unterschiedlicher Branchen darüber gesprochen.
Eine grundlegende Neuerung ist die Verlagerung nicht nur strategischer, sondern auch operativer Tätigkeiten ins Home-Office. Wurden bisher die Stunden zu Hause hauptsächlich für Tätigkeiten genutzt, die Ruhe und Konzentration erforderten – z.B. die Erstellung von Konzepten –, fand plötzlich alles unfreiwillig in Isolation statt. Wie schafft man da Struktur?
Nahezu überall fanden tägliche virtuelle Meetings unter unterschiedlichsten Namen statt – vom morgendlichen „Daily Meeting“ über das „Daily Stand up“ bis zum „Check-in“: Man* brachte sich per Videokonferenz auf Stand, präsentierte Zwischenergebnisse, klärte schon auch mal Persönliches. Die meisten registrierten eine Erhöhung der Frequenz, aber eine tendenzielle kürzere Dauer bei Meetings.
„Die Frequenz der wöchentlichen Teammeetings per Videochat haben wir erhöht, da es in der aktuellen kritischen Business-Situation wichtig ist, sich sofort auf den neusten Stand zu bringen.“ (VF, HR Managerin in der Luftfahrtindustrie)
Was wegfiel und extrem vermisst wurde, war der schnelle Plausch in der Kaffeeküche. Die Informationen, die auf diesem Weg ganz nebenbei die richtigen Adressaten erreichten, gingen oft einfach unter. Lockere Formate wie das „Virtuelle Café“ oder der „Coffee Chat“ sollten Abhilfe schaffen, auf freiwilliger Basis auch Formate wie das „Virtuelle After-Work“ mit Wein und Bier. Ein wahres Revival erlebte die Chat-Funktion in Groupware, wie z.B. in MS Teams, da sich Fragen darüber schnell und unkompliziert klären ließen.
Was vielen Mitarbeiterinnen in der Coronakrise fehlte, war der private Austausch. Einige Führungskräfte sahen das Dilemma und schufen lockere Formate auf freiwilliger Basis. Im „Coffee Chat“ eines Unternehmens der Luftfahrtindustrie stand der Austausch über Persönliches im Vordergrund:
„In unserem Coffee Chat geht es nicht um die Arbeit, sondern wir tauschen uns aus, wie es jedem gerade in der Corona-Situation geht, lachen gemeinsam, geben Tipps zum Kochen für zuhause etc.“ (VF, HR Managerin in der Luftfahrtindustrie)
Nahezu alle interviewten Führungskräfte berichten von einer neuen Ebene des privaten Austauschs. Denn Kinderbetreuung oder die Pflege kranker Familienmitglieder war mit einem Schlag sehr viel komplizierter geworden und erschwerte so die Arbeitsbedingungen. Kurz: Themen die früher bei der Arbeit selten auf den Tisch kamen, fanden Raum – und ein offenes Ohr auf Führungsebene.
„Ich versuche, einen Perspektivwechsel zu machen und mich in meine Mitarbeiter hineinzuversetzen. Die non-verbale Kommunikation fehlt wirklich. Um eine Verbindung herzustellen bzw. zu halten, versuche ich, gemeinsame Themen zu finden, z.B. die Kinderbetreuung.“ (BW, Regionalmanager für ein Consulting Team in der IT-Branche)
Grundsätzlich sahen alle Befragten in der neuen Situation eine veränderte Balance zwischen Präsenz und Sich-Raushalten, Vertrauen und Nachhaken. Mindestens einmal pro Woche ein Telefonat mit jedem Mitarbeiter zu führen, erwies sich als guter Rhythmus, um sie weiterhin persönlich in ihrem Umfeld abzuholen.
„Führung sollte insgesamt weitreichender gesehen werden. Es ist wichtig, auf Balance zu achten zwischen Arbeit und der Familie mit Kindern oder Eltern, die man pflegen muss. Darüber zu sprechen: Wie kann man für sich selbst gut sorgen, gerade in dieser Zeit?“ (AH, Managerin aus der Logistikbranche)
Der ursprüngliche New Work-Gedanke, wie ihn vor 40 Jahren Bergmann sah, ist also durch die Krise näher an uns herangerückt. Die Definition geht weit über den bisher gern gesetzten Fokus auf agiles Arbeiten und Home-Office hinaus und legt ein tieferes Verständnis von Führung zugrunde:
„Ich lege Wert darauf zu vermitteln: Ich nehme wahr, dass mein Gegenüber ein Mensch ist. Ganzheitlich auf die Situation zu gucken und Vertrauen zu haben.“ (JF, Manager eines Import- und Handelsunternehmens)
Letztlich haben alle befragten Führungskräfte die Krise als Chance für eine neue, persönlichere und bewusstere Form von Führung begriffen – trotz der Herausforderungen und Schwierigkeiten, die sie mit sich brachte.
Im Zuge meiner Tätigkeit als Dozentin an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management habe ich mich intensiv mit virtueller Führung auseinandergesetzt. Als Executive Coach erlebe ich zudem täglich den praktischen Arbeitsalltag von Führungskräften, spreche über Fragestellungen zu Haltung, Kommunikation, Techniken und Abläufen. Corona hat sie alle vor ganz neue Herausforderungen gestellt: Digitales Arbeiten war mit einem Schlag Realität. Ich habe mit einigen von Ihnen zu den aktuellen Herausforderungen gesprochen und die Ergebnisse für diesen Blogtext gebündelt.
In der nächsten Folge meiner Blogserie zum Thema „Virtuelle Führung“ gebe ich Software-Tipps – alle praxiserprobt von meinen Interviewpartnern.
* Liebe Leserinnen und liebe Leser! In meinen Blogtexten benutze ich abwechselnd die weibliche und männliche Form. Ich habe mich dafür entschieden, um den Lesefluss nicht durch *innen oder ähnliche Variationen des Genderns zu stören.