Führung 4.0 ist nichts für Anfänger

Vertrauen halten, Teambuilding voranbringen, Erfolge honorieren – wie geht das virtuell?

Im Zuge meiner Blogserie „Virtuelle Führung“ setze ich mich mit unterschiedlichen Aspekten von Zusammenarbeit auf Distanz auseinander. Impuls dafür ist u.a. meine Tätigkeit als Dozentin an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management. Aber natürlich hat auch Corona dazu beigetragen, dass das Thema in den Fokus rückte. Denn so folgenreich wie die Pandemie weltweit war, hat sie auch die Arbeitswelt nachhaltig verändert.

Das Überraschende daran: Die Bandbreite zwischen Herausforderungen und Chancen ist groß – vom Informationsverlust bis zu mehr Kompetenzen für die Mitarbeiter*. Im Gespräch mit meinen Klientinnen konnte ich die wichtigsten Veränderungen noch besser greifen und ihre Praxistipps im Verlauf meiner Blogserie „Virtuelle Führung“ weitergeben, ganz gleich, ob sie Meetingstrukturen betrafen oder Softwareempfehlungen. Wie lassen sich also Führungskräfte fit machen für diese veränderte Arbeitswelt?

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Kontakt zu halten, ohne persönlichen Kontakt zu haben, ist ein Spagat. Führungskräftetrainings sollten also einen starken Fokus auf das menschliche Miteinander haben. Wie lässt sich Engagement und Bindung zu den Mitarbeitern ausbauen und etablieren? Beginnen wir mit dem Einfachen: Meine Klienten empfehlen mindestens alle zwei Wochen, besser noch einmal pro Woche ein persönliches (Video-)Telefonat, auch wenn gerade keine konkreten Aufgaben zu besprechen sind.
Dabei darf es durchaus um Privates gehen:

„Ich habe ein gemischtes Team bestehend aus jüngeren Kollegen und älteren, erfahrenen Kollegen. Die jüngeren brauchen mehr Führung, die älteren sind eher Krisen-erprobt. Pro Mitarbeiter wende ich mehr Zeit auf als früher: Ich telefoniere regelmäßig alle zwei Wochen mit dem Team, was sehr viel zeitaufwendiger ist: 28 Leute à 30 min. Langfristige Entwicklungsgespräche waren kaum möglich, da es während und nach Corona auch um einen „Überlebenskampf“ geht. Ein Mitarbeiter beispielsweise war zu 100 Prozent in Kurzarbeit. Er war verunsichert, hatte Angst vor der Entlassung. Diese Themen und Emotionen müssen jetzt besondere Aufmerksamkeit bekommen. Eine weitere Herausforderung ist es, die Einzelkämpfer abzuholen und mit ihnen im Kontakt zu bleiben und auch Raum für private Dinge einzuräumen.“

(BW, Regionalmanager für ein Consulting Team in der IT-Branche)

Für solche Gespräche mit Spannungspotenzial braucht es Fingerspitzengefühl und Sensibilität – gerade, wenn die nonverbalen Zeichen sich nicht deuten lassen, z.B. am Telefon. Bei einem Videotelefonat lassen sich diese besser erkennen und darauf reagieren.

„Man sollte Wert darauf legen, wirklich situativ zu führen und auf die verschiedenen Persönlichkeiten einzugehen. Ich bemühe mich darum, auf Augenhöhe zu agieren und vermeide Formulierungen, die ein Chef-Mitarbeiterverhältnis verdeutlichen. Mir helfen Perspektivwechsel, um mich in die Mitarbeiter einzufühlen. Das schaffe ich auch über gemeinsame Themen, indem wir Familiäres und Persönliches wie Kinderbetreuung besprechen. Wichtig ist es, Raum zu geben für die Themen, die einzelne bewegen, ihnen auf dem Herzen liegen. Die Kommunikation darf schon auch mal flapsig sein, weggehen von den harten Fakten.“

(BW, Regionalmanager für ein Consulting Team in der IT-Branche)

Und wie lässt sich in größerer Runde gewinnbringend kommunizieren? Digitale Konferenzen haben ihre Tücken, das weiß jede, die daran in den letzten Monaten teilgenommen hat.

„Virtuelle Meetings sind deutlich anstrengender als analoge und brauchen mehr Disziplin von jedem einzeln. Einfache Regeln strukturieren: sich ausreden lassen, nicht zu lange und ausschweifend reden usw. Ich empfinde auch eine Teilnehmerbegrenzung als besonders wichtig und hilfreich: Wer ist jetzt wirklich relevant für das Thema des Meetings? Und es macht Sinn, dass einer im Team die Moderation übernimmt, und zwar nicht die Führungskraft.“

(BW, Regionalmanager für ein Consulting Team in der IT-Branche)

„Schau mir in die Töpfe, Kleines!“:  Virtuelle Teamentwicklung – gemeinsam Kochen mal anders

Soweit die Tipps zu zwischenmenschlicher Kommunikation per (Video-)Call. Es ist und bleibt aber eine Herausforderung, Nähe aus der Ferne zu erreichen. Ich habe gute Erfahrungen mit Teambuilding-Veranstaltungen gemacht. Dabei müssen gar keine extravaganten Dinge passieren, gemeinsames Kochen beispielsweise ist immer enorm bereichernd. Während die Kollegin aus der HR den Koriander hackt und der Mitarbeiter vom Kreativ-Team den Kochwein entkorkt, kommt Privates viel leichter über die Lippen. Aber geht das auch virtuell? Klar doch! Tatsächlich ist es leicht umsetzbar. Inspiriert hat mich dazu COOKZU mit eat!berlin-Festivalleiter Bernhard Moser und radioeins-Moderator Daniel Finger. Hier wird so locker über Traminerhuhn und Seeteufelsaltimbocca gesprochen – das könnte man doch auch mal gemeinsam mit den Kollegen tun.

„Schreib es auf!“ – schriftlich kommunizieren

Gerade in Zeiten von Home-Office und Zusammenarbeit auf Distanz gewinnt die schriftliche Kommunikation an Bedeutung. Im Zuge dessen ist es besonders wichtig, klar und präzise zu schreiben. Daher rate ich Führungskräften dazu, ihre schriftliche Kommunikationsfähigkeit zu stärken. Oft sind es Kleinigkeiten, die über den Erfolg eines Projekttextes, eines Anschreibens oder selbst der schnellsten schriftlichen Kommunikationsform, einer E-Mail, entscheiden. Ich persönlich verlasse mich bei Feedback zu Texten gern auf die Expertise der Texterin meines Vertrauens, Natalie Fingerhut. Hier hole ich mir auch zwischendrin Tipps und Tricks zu gelingender Kommunikation.

„Das haben wir als Team geschafft!“ – über Erfolge sprechen

Wer gemeinsam einen Pitch beim Kunden erfolgreich gemeistert hat, ging früher vielleicht ins Restaurant ums Eck, um darauf anzustoßen. Was aber, wenn der Pitch digital stattgefunden hat und sich danach alle aus dem MS Teams-Meeting ausklinken? Ganz klar, dann braucht es ein virtuelles Extra-Meeting zum Feiern. Auch wenn hier nicht mit Mojito angestoßen wird, ist es wichtig, Erfolge zu thematisieren, denn sie schweißen zusammen. Und auch wenn etwas nicht hundertprozentig glatt gelaufen ist, ist dieser (virtuelle) Raum für Feedback von beiden Seiten höchst relevant. Wo sonst können die Kompetenzen der einzelnen Teammitglieder deutlich werden?

Machen Sie Ihr Team noch stärker, indem Sie das gemeinsam Erreichte zum Thema machen. Denn das macht nicht nur Ihre Mitarbeiter zufrieden!


Sie wollen mehr zu virtueller Führung erfahren? Dann lesen Sie gern auch die ersten vier Artikel meiner Blogserie zum Thema: „Von Home-Office zu Home-Office – Virtuell führen, eine Herausforderung mit Chancen“, „Du willst mehr Kompetenzen? Kriegst du! Virtuelle Führung im Unternehmen 2.0“, „Is this New Work? Wie durch eine Krise virtuelles Arbeiten Realität wird“ und „Von Videokonferenzen, Chat & Co: Softwarelösungen in der Praxis“.
Ich wünsche gute Unterhaltung und hoffentlich spannende Anregungen beim Stöbern.

Sind Sie neugierig geworden? Oder brauchen Sie Unterstützung zum Thema Coaching, in Veränderungsprozessen oder bei der Teamentwicklung? Schicken Sie mir gerne eine Nachricht.

* Liebe Leserinnen und liebe Leser! In meinen Blogtexten benutze ich abwechselnd die weibliche und männliche Form. Ich habe mich dafür entschieden, um den Lesefluss nicht durch *innen oder ähnliche Variationen des Genderns zu stören.

 

Du willst mehr Kompetenzen? Kriegst du! Virtuelle Führung im Unternehmen 2.0

Das Konzept des „Open Leadership“ basiert auf gegenseitigem Vertrauen. Von der Führungskraft setzt das ein hohes Maß an Offenheit im Dialog und in der Beziehungspflege voraus. Mitarbeiterinnen* dürfen und sollen Kontrollaufgaben übernehmen, möglichst eigenständig arbeiten und entscheiden. Der Fachbegriff für dieses Führungskonzept wurde bereits 2010 mit vier Buchstaben auf den Punkt gebracht: Das HERO-Konzept steht für „Highly Empowered and Recourceful Operatives“ und spricht Mitarbeitern mit hoher Eigenständigkeit und ausgeprägten Kompetenzen neue Kontroll- und Koordinationsaufgaben zu.

Kurz: Bisher ging es um bewusste Gestaltung der Aufgabenerledigung. Das Web 2.0 hingegen macht weitgehend ungeplante und eigengesetzliche Entwicklung möglich. Die Selbststeuerungsfähigkeit von Teams wird erhöht.

 

Führung auf Vertrauensbasis

Virtuelle Führung hat also viel mit Loslassen zu tun. Gegenseitiges Vertrauen ist dabei unabdingbar. Mit Haltung führen – und das auch über digitale Distanz hinweg -, ist hier das Mittel der Wahl. Aber wie lässt sich das unter virtuellen Bedingungen ermöglichen und stärken? Die örtliche und zeitliche Distanz der Akteurinnen erschwert diesen Prozess schließlich erheblich. Gute Kommunikation, Empathie und Verständnis sind hier die Schlüsselwörter. In der Praxis gibt es einen gut nutzbaren Werkzeugkasten, um diese drei Faktoren zu stärken.

 

Ab aufs Spielfeld – wir werden ein virtuelles Team

Kick-off-Meetings funktionieren auch virtuell. Es stärkt die Teamentwicklung, gemeinsam Ziele und Erwartungen zu klären. Im weiteren Verlauf helfen regelmäßige (virtuelle) Treffen, um das Team in Fortschritte und Ideen mit einzubeziehen. Bei sogenannten „Check-ins“ lassen sich alle Teammitglieder auf Stand bringen sowie Aufgaben und Verantwortungen effizient verteilen. In Krisenzeiten wie diesen, in denen alle Mitarbeiter im Home-Office sitzen, hilft ein morgendlicher gemeinsamer „Check-in“ gut in den Tag. Wissenschaftlich sind Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit von Interaktion und Mitarbeiterleistung übrigens nachgewiesen.

 

Der Coach in dir

Dass Führung im virtuellen Kontext viel mehr ist als Aufgabenverteilung, ist klar. Kommunikative Fähigkeiten wie Zuhören und Sondieren, um die Standpunkte der Teammitglieder zu verstehen, gewinnen an Bedeutung. Arbeitsfortschritte aus der Distanz zu kontrollieren, ist ein Kunststück, das Besonnenheit benötigt. Und seinen Mitarbeiterinnen genügend Freiraum zu lassen – insbesondere auch beim Thema Work-Life-Balance –, ist nicht einfach. Führungskräfte entwickeln sich im Unternehmen 2.0 immer mehr in Richtung Mentor und Coach.

 

Skype, Zoom, Mail oder Telefon?

Natürlich ist das persönliche Gespräch nicht zu toppen. Was also tun, wenn das Corona-bedingt nicht möglich ist? Ein schneller Griff zum Telefonhörer oder eine kurze E-Mail mag bei simplen Absprachen ausreichend sein. Was aber tun bei einem sensiblen Mitarbeitergespräch oder der Besprechung einer komplexen neuen Aufgabe? Hier ist die non-verbale Kommunikation ein essentieller Bestandteil des Gesprächs. In der derzeitigen Lage ist also tatsächlich immer die Videokonferenz ein probates Mittel.

 

Praktische Tipps, wie Sie sich als Führungskraft für die Herausforderungen der virtuellen Arbeitswelt wappnen, gibt´s nächste Woche im dritten Teil  meiner Blogserie „Virtuelle Führung“.

 

Literaturhinweise:

Bei der Vorbereitung meiner ersten Online-Vorlesung zum Thema „Virtuelle Führung“ an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management, aus der heraus diese Blogserie entstanden ist, habe ich mich mit spannenden Impulsen folgender Autoren auseinandergesetzt:

Peter M. Wald, Lang, R., Rybnikova, I. (2014): Aktuelle Führungstheorien und -konzepte, Wiesbaden

Buhse, W. (2014). Management by Internet. Kulmbach: Plassen

 

* Liebe Leserinnen und liebe Leser! In meinen Blogtexten benutze ich abwechselnd die weibliche und männliche Form. Ich habe mich dafür entschieden, um den Lesefluss nicht durch *innen oder ähnliche Variationen des Genderns zu stören.

 

Alle in einem Boot: Als eingespielte Crew zu neuen Horizonten

Viel mehr als eine gelungene Metapher: Ein Blick auf den Segelsport ist eine spannende Inspirationsquelle für Teamentwicklung.

 

Leinen los!

Vom Wind angetrieben, dem Horizont entgegen – Segeln vermittelt uns ein grenzenloses Gefühl von Freiheit im Einklang mit den Elementen. Es lässt sich aber auch wunderbar als Metapher für das gemeinsame Erreichen von Zielen betrachten. Eine Crew, die Hand in Hand das Schiff manövriert, hat viel mit einem eingespielten Team gemein: Hier wie dort gilt es, sich Ziele zu setzen und diese in klaren Absprachen festzuhalten. Ist das Ziel erst einmal abgesteckt, müssen sich die Mitglieder gut abstimmen, aufeinander hören und Rücksicht nehmen, sich aber vor allem hundertprozentig aufeinander verlassen können.

Alle Mann und jede Frau an Bord!

Wer zusammen segelt, geht respektvoll miteinander um, stellt das eigene Ego auch mal zurück, trifft schnelle und gezielte Entscheidungen, auch wenn es bei viel Wind und Welle mal brenzlig wird. Stets steht die Sicherheit der Crewmitglieder an erster Stelle. Ähnliches passiert in einem Team, das den individuellen Wert eines jeden als wegweisend für das Erreichen gemeinsamer Ziele betrachtet. In einem geschützten Raum wie diesem finden auch mal auf den ersten Blick verrückte Einfälle ihren Raum, die sich später als brillant herausstellen. Die Weite des Horizonts lässt sich gemeinsam austarieren. Im Sinne der Businessentwicklung bedeutet das, dass genau auf diesem Weg neue Ideen am Horizont entstehen.

 

Klar zur Wende? Ist klar!

Gemeinsam segeln heißt aber nicht nur, vorhandene Fähigkeiten gut einzusetzen, sondern sich auch darauf einzulassen, Neues auszuprobieren. Jedes Crewmitglied entwickelt sich auf einem Segeltörn weiter und bekommt die Chance, sich auszutesten. Der Skipper* legt die Aufgaben eines jeden einzelnen fest, das Erreichen des Ziels stets im Blick. Wenn eine Führungskraft ihr Team aufbaut, geschieht Ähnliches, und das macht Sinn. Denn nur als Team bewegt man gemeinsam Boote ebenso wie Projekte und Aufgaben.

 

Aye Aye, Captain!

Bei einer Segelcrew steht Teamfähigkeit an oberster Stelle. Hier kann niemand sein eigenes Süppchen kochen, ohne dass das Boot Schlagseite bekommt. Der respektvolle Umgang miteinander ist schon deshalb Selbstverständlichkeit, da man auf engstem Raum zusammenlebt. Und das bedeutet auch, dass – egal, welche Position jedes Crewmitglied an Land hat –, jede*r einzelne in der Lage sein muss, sich ohne Widerrede und Diskussion unterordnen zu können, um die Sicherheit aller zu gewährleisten.

Und eine letzte Parallele scheint auf: Um zusammen zu segeln, braucht man keinerlei Segelerfahrung, wenn die Skipperin die Navigation beherrscht und klare Anweisungen erteilt. Jede*r, der oder die lernwillig und offen ist, ist ein willkommenes Crewmitglied. Denn jedes Team gewinnt durch Talente aus unterschiedlichen Bereichen. Im Fachjargon nennt man das heute gern „Diversität“. Wer bei einer Segelcrew nicht an einen versierten Koch denkt, vergisst: Nur ein sattes Team ist ein glückliches Team.

Und wie stellen Sie Ihre Crew zusammen?

Sind Sie neugierig geworden? Oder brauchen Sie Unterstützung zum Thema Coaching, in Veränderungsprozessen oder bei der Teamentwicklung? Schicken Sie mir gerne eine Nachricht:  mail@marion-pohl.com

 

* Liebe Leserinnen und liebe Leser! In meinen Blogtexten benutze ich abwechselnd die weibliche und männliche Form. Ich habe mich dafür entschieden, um den Lesefluss nicht durch *innen oder ähnliche Variationen des Genderns zu stören.